Your Little Voice

by Elizabeth (uhmidont@yahoo.com)


Summary:       M&M, SPOILER fic, Michael POV. This fic revolves around a fairly small spoiler for the first episode of season two. If you are living totally spoiler free, you should probably skip this story.
Rating:           PG-13
Disclaimer:     I don't own the characters.
Distribution:   Please ask.
Note:             As stated above, this is a spoiler fic. After reading about the whole M&M phone call thing, I started thinking about Michael not returning Maria's phone calls. This is just my take on why he might do that.


Thanks:         To Heidi. A conversation we had about Michael came back to me as I was writing this story and I just want to thank you for inspiring me.

August 10, 2000

Übersetzung: Lina (lina61@gmx.net)
Von Übersetzer:
Tausend Dank an Alli, die wunderbare, aufmerksame, verständnisvolle Erst-Leserin.





Letzten Abend sollte ich einen Anruf erhalten. Davon gab es bereits fünfundzwanzig, und alle sind mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks gekommen. Letzten Abend wäre es der sechsundzwanzigste gewesen – wäre. Maria rief nicht an.

Fünfundzwanzig Anrufe ergeben zwei pro Woche, plus einen Zusätzlichen in der ersten Woche nach Schulende. Der war ein Fehler – ich glaube, sie wollte Liz erreichen und wählte versehentlich die falsche Nummer – meine. Sie hinterließ auch keine richtige Nachricht – ein verlegenes „Oh!“, das mein Anrufbeantworter erfaßte und das ich aufhob.

Einmal zählte ich die Sekunden ihrer Nachrichten zusammen, rechnete sie in Minuten um, und erst dann erkannte ich, was ich gerade tat. Ich ging in die Wüste und starrte auf die Überreste der Kapselhöhle bis ich mich besser fühlte – klarer.

Ihre Nachrichten lagen gestapelt neben dem Waschbecken. Ich kaufte für sie ein kleines Schachtel im Wal-Mart – eins über das Maria oooh-en und aaah-en würde. Ich konnte sie fast hören, als ich vor der Kasse wartete. „Michael! Es ist so süß! Ich kann darin alle meine Ohrringe, Ringe (und anderen Mädchenkram) aufbewahren.“ Aber sie war nicht bei mir, und die einzige Stimme, die ich hörte, war die vom gelangweilten Kassierer: „Viersechsundfünfzig. Hey, Junge, viersechsundfünfzig.“ Anstelle ihres Krams liegen im Schachtel dünne Kassetten aus dem Anrufbeantworter. Ich denke, ich habe trotzdem etwas von ihr. Ich habe ihre Stimme. Manchmal empfinde ich Reue – weil ich mich an kleine Teile von ihr klammere anstatt sie ganz zu behalten.

Zwölf von diesen Kassetten kaufte ich im Juni, noch vor dem Schachtel. Ich bin nicht besonders gut beim Vorausplanen. Zu dieser Zeit füllte sie die erste Kassette bis zum Ende, und ich wollte die Nachrichten nicht löschen. Ihre ersten Anrufe, noch vor Schulende, waren alle wütend – wie könnte ich es wagen ihr zu sagen, daß ich sie liebe und sie danach verlassen; wer ich eigentlich zu sein denke; ob ich vielleicht denke, daß mein Geständnis den Schmerz lindern würde, den ich ihr zugefügt hatte? Ich hörte ihre wütenden Nachrichten, ihre angespannte Stimme – als ob ein zorniger Wörterstrom in ihr tobte, und sie sich fürchtete oder weigerte ihn herauszulassen– und fühlte mich sicher. Maria ärgerte sich immer über mich, und ich dachte, daß alles in Ordnung kommt. Wir wußten beide, daß ich nie vorhatte diese Worte zu sagen, und ich glaubte, daß sie nach einer Weile alles vergessen, den Kopf erheben und weitergehen wird. Hatte sie nicht vorher selbst gesagt, daß sie es tun würde, und zwar hundert, nein – tausend Mal?

Ja. Vor diesem Tag im Mai hinterließ sie mir von Zeit zu Zeit wütende Nachrichten. Nach der Party, als ich gesagt hatte, daß ich allein bleiben soll, kam die Nachricht, daß sie alle ihre Briefe zurück haben will. Ich legte sie in ihren Spint und fragte mich, was sie wohl denken wird wenn sie sieht, daß sie alle ungelesen sind. Ich fürchtete mich davor sie zu lesen, und sie gab mir diese Briefe nie zurück, auch nicht nachdem wir wieder – mit was auch immer – angefangen hatten.

Später, nachdem Topolsky erneut aufgetaucht und verschwunden war, und wir alle auf etwas warteten, stritten wir uns mal wieder. Sie erhob sich vom Sofa, schickte mich zur Hölle und ging. Ich wollte mit Max reden – damals suchte ich noch immer Rat bei Max – aber er war mit Liz aus, und ich endete sitzend auf dem Platz, wo gewöhnlich der Wohnwagen stand, darüber grübelnd was Hank wohl gerade machte. Als ich nach Hause kam, wartete eine Nachricht von ihr. Sie war wütend – das ist bei ihr leicht zu erkennen – und sagte „Du mußt mich reinlassen, Michael. Ich werde nicht weggehen.“

Ich spielte diese Nachricht wohl hundert Mal ab. Ich prägte mir die Änderungen in ihrer Stimme ein – abfallend bei meinem Namen und erhoben bei „nicht“. Am nächsten Tag in der Schule sah sie mich an, als ich in der Halle vorbeiging, und ich gab ein plötzliches Interesse an blaßgelben Wänden, an Plakaten über irgendeine schulische Scheiß-Aktivität vor. Als sie mich später doch ertappte, sammelte ich mich um ihr zu sagen, daß ich ihre Nachricht nicht bekommen habe, oder daß ich sie bekam und es mich nicht kümmerte. Sie schaute mich einen Moment lang an und fragte: „Soll ich dich nachher zum CrashDown mitnehmen? Wir beide haben die letzte Schicht.“

Ich denke in diesem Moment wußte ich, daß ich sie liebe. Es war kein angenehmes Gefühl – einmal beging ich den Fehler, Max über Liz zu fragen, und alles, was er beschrieb, fühlte ich auch – aber bei ihm klang es schön. Ich genoß es dagegen nicht – weder damals noch jetzt. Liebe ist kein Spaß. Mir ist egal, was Boy-Bands und hohlköpfige Mädels in ihren Songs behaupten. Ich verbrachte Jahre damit zu lernen niemanden zu bemerken, damit mir an niemandem etwas liegen würde. Und dann kommt Maria und zerstört alles, was ich aufgebaut habe, mit ihren wütenden Telefonanrufen und verständnisvollen Augen. Das Schlimmste daran ist, sie weiß es nicht. Sie sucht nach mehr in mir, aber da ist nichts, war es nie. Sie strengt sich an und sieht nicht, daß sie bereits alles bekommen hat, was ich ihr bieten kann. Einmal hat sie mein Lieblingslied mit einem Lächeln auf dem Gesicht erraten – mit einem Lächeln! Ich sprach drei Tage lang nicht mit ihr. Ich haßte es, daß sie mich so gut kennt, und daß sie es als selbstverständlich empfindet. Manchmal versuchte sie über Hank zu reden, und ich küßte sie bis wir beide nach Luft schnappten. Ich gewöhnte mich an dieses Gefühl. Manchmal schäme ich mich dafür, daß sie sich auch daran gewöhnte.

***

Also antwortete ich auf diese wütenden Anrufe Ende Mai nicht, und während der letzten Schultage bog ich immer ab, wenn sie auf mich zukam. Ich fragte sogar Mr. Parker, ob er meine Schichten ändern könne, damit ich nicht zur gleichen Zeit wie Maria arbeiten mußte. „Ein persönlicher Konflikt“, erklärte ich, und er nickte. Ich denke er wollte etwas zufügen, aber er hatte schon genug Sorgen mit Liz, die sich seit jenem Tag in der Wüste abgekapselt hatte und von Tag zu Tag leiser, kleiner und trauriger wurde. So sagte er letztendlich nichts, änderte meinen Zeitplan, und danach sah ich Maria nicht mehr bei der Arbeit.

Aber sie rief weiterhin an. Ich wußte, daß sie es würde, aber ich belog mich gut genug, um von den Anrufen überrascht zu werden. Selbst im Juni noch starrte ich mein klingelndes Telefon erschüttert an. Dann beugte ich mich mit der gleichen Begierde darüber, die Hank immer für den Zahltag des Pflegegeldes bereit hielt – er blieb an diesem Tag immer zuhause und beobachtete den Posteinwurf der vorderen Trailertür, krank vor Erwartung des Schecks, der ihm soviel Bier wie er trinken konnte bescheren würde. Ich habe mir jede Menge von Hank’s Angewohnheiten abgeschaut, obwohl niemand, nicht mal Maria, darüber reden will. Sie fragte danach, das ist wahr. Aber das bedeutet noch nicht, daß sie es wirklich wissen will.

Ihre ersten Juni-Anrufe waren noch immer wütend. Ich zeichnete sie weiterhin auf – ich legte eine neue Kassette ein, als die alte voll war, und ich nahm sorgfältig den gleichen Anfangstext auf. „Hier ist Michael. Rede.“ Manchmal bereute ich meine Grausamkeit ihr gegenüber – bereute meine Freude beim Gedanken an ihr Gesicht während des Anrufs, bereute meine Überlegungen, ob sie sich wünschte, ich würde – bloß ein einziges Mal – den Hörer aufheben. Manchmal bereute ich das Zögern in meiner Hand über dem Hörer, und bereute den Drang, aufzuheben und „Hallo“ zu sagen.

Ich versuche, sie vor sich selbst und vor mich zu retten, und sie ist nicht sehr hilfreich dabei. Der Wahrheit zuliebe: Ich bin selbst gar nicht hilfreich.

Im Laufe des Junis veränderten sich ihre Anrufe. Ich denke, es kostete ihr viel zu viel Kraft, ständig auf mich wütend zu sein. Sogar Hank verlor seine Wut nach einer Weile – sein Arm ermüdete, oder er vergaß worüber er schrie, oder das Bier auf der Theke beschäftigte ihn plötzlich mehr als der „Knochenarsch“, wie er mich immer so liebevoll nannte. Max kann auch nicht gut auf mich wütend sein – zu viele Schuldgefühle weil er mutig genug ist, sich vorwärts zu bewegen, während ich mich immer noch im Schatten verstecke. Und Isabel... Isabel fürchtete sich nie, auf mich wütend zu sein, aber es wurde immer gemildert durch etwas, über das keiner von uns jemals nachdenken wollte.

Ich vermute, als sie aufhörte "Michael!" so wie bisher auszusprechen, war es das erste Anzeichen für die Änderung ihrer Stimmung. Wenn sie wütend auf mich war, wurde aus meinem Namen ein Geschoß. ’Michael!’ bedeutete ’Hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen’ oder ’Denk nicht mal daran, gerade jetzt wegzugehen’ oder ’Hör auf, Kapitän Arschloch zu spielen’ (das hat sie wirklich einmal gesagt – sie fühlte sich beleidigt, als ich daraufhin lachte, aber ich war damals so froh bei ihr zu sein, so nahe bei jemandem, der mich so klar erkannte. Für einen Moment fürchtete ich mich vor nichts). Und als der Juni vorbeizog und langsam zum Juli wurde, änderte sich mein Name.

Er wurde weicher, langsamer und beinahe versonnen, was mich jedesmal mies fühlen ließ. Ich spielte diese ersten melancholischen Nachrichten immer wieder ab, bis die Aufnahme dünn und kratzig klang. Diesem Band zuzuhören war, als Hank dabei zu zusehen, wie er mich schlägt. Ich hatte mir immer geschworen, daß ich nicht hinsehen würde, aber es war etwas an der Art, wie er sich dabei konzentrierte – wie er wirklich darüber besorgt war, es auch bestmöglichst zu tun, obwohl er nie zugegeben hätte, daß ich die Anstrengungen Wert war – und ich konnte nicht wegschauen. Ich mochte es zu wissen, daß ihm soviel an etwas lag, das mit mir zu tun hatte. Ich mochte es zu wissen, daß Maria mich noch immer vermißte. Ich mochte, daß ich in ihrer Seele eingeprägt war und ihre Gedanken besaß. Ich mochte es, einen Teil von ihr zu haben.

Ihre Nachrichten wurden auch länger. Sie erzählte mir, was sie tat – zum Abendessen mit ihrer Mutter ausgehen, mit irgendeinem Blödmann aus der Schule ins Kino gehen, mit Alex Songs einstudieren. Sie hörte immer auf ohne das Ende ihrer Geschichten zu erreichen. Ich denke, es sollte mich dazu bewegen, sie anzurufen (ich weiß es), aber statt dessen lag ich auf dem Sofa und malte mir die Fortsetzungen, die allesamt damit endeten, daß sie in meine Wohnung kommt, in demselben roten BH, den sie während der Hitzewelle im Dezember trug, und ich würde nicht in letzter Sekunde zurückschrecken, wie ich es in dieser Nacht im CrashDown getan hatte. Manchmal fantasiere ich darüber, wie ich zu ihr gehe und in ihrem Zimmer stehe, nicht vor Angst zitternd, und statt in ihr Haar zu weinen würde ich jeden Millimeter ihres Körpers küssen, bis ihr Duft mich von innen und außen ausfüllt.

Natürlich tue ich nichts davon.

***

Im Juli wurden ihre Nachrichten wieder anders. Vielleicht hat die Hitze sie zermürbt. Mich hat sie es beinah.

Ich mußte die Klimaanlage auf 30°C stellen, weil ich sie im Juni eine Woche lang bei 25°C laufen gelassen hatte, und die Stromrechnung Anfang Juli in ihrem bunt gefärbten Umschlag war so hoch, daß ich zwei Wochen lang bloß von Spaghetti (vierundvierzig Cent pro Packung) leben mußte. Ich konnte natürlich das ganze Menü des CrashDowns essen, aber nachdem ich acht Stunden lang fünf mal die Woche die Bürger und Pommes gebraten hatte, völlig bedeckt mit dem Fettgeruch, war das das Letzte, was ich essen wollte. Eines Tages lud Max mich zu McDonald’s ein, und ich schwöre, allein bei dem Gedanken krümmte sich mir der Magen. Hank mochte keine Kartonverpackungen, er sagte „Ich mache sie jeden Tag in der verdammten Fabrik, ich hab’ davon mehr g’sehen als ich je wollte“ – das schrie er gewöhnlich im Supermarkt, wenn der Kassierer sein 6-er Bier in einen Karton packen wollte, um das Tragen zu erleichtern. Ich lernte, den Einkaufswagen zu den Kassen zu steuern, wo die Kassierer zu faul waren, um sich um das Einpacken zu kümmern – das war nicht schwer. Jetzt verstehe ich Hank’s Abneigung gegenüber Kartonverpackungen vollkommen.

Also die Hitze erdrückte mich. Ich schwitzte beim Aufwachen, ich schwitzte auf dem Weg zur Arbeit. Bei der Arbeit tat ich nichts anderes als schwitzen, und auf dem Heimweg schwitzte ich eben mehr. Wie auch immer, im Juli brach ich fast hundert Mal zusammen. Sie rief mich an und ich stand bei meiner Wohnungstür, gefaßt und begierig, die Tür zu öffnen und sie zu sehen. Wenn sie ihr eigenes Handy gehabt hätte und mich von der anderen Seite der Tür angerufen hätte – ich weiß nicht, was passiert wäre.

Manchmal war es so heiß, daß ich mir Sorgen um die Kassette im Anrufbeantworter machte – ich fürchtete, das Tonband würde schmelzen und sie würde keine Nachrichten hinterlassen können, und dann würde sie vorbeikommen um nach mir zu sehen, und dann...

Aber sie hatte kein eigenes Handy, das Band schmolz nicht, und sie kam nie vorbei. Ihre Juli-Nachrichten zeigten mir eine ganz neue Maria. Sie weinte manchmal, was mich entsetzte und so stark erregte, daß ich den größten Teil des Julis schwitzend und mit permanentem Ständer verbrachte – und das war nicht angenehm.

Ich hatte manchmal Schuldgefühle, weil ich ihr Elend so sexy fand, aber es ist wahr. Noch immer. Im Juli brach ihre Stimme manchmal, wenn sie meinen Name sagte. „Ich vermisse dich. Ich weiß, daß du meine Nachrichten hörst. Würde es dich umbringen, einmal den Hörer zu nehmen? Michael?“ Und an dieser Stelle, am Ende, konnte ich die Tränen in ihrer Stimme hören, und ich stellte mir ihr Gesicht vor, besorgt und verletzt und unglücklich – wegen mir, für den nie jemand solche Gefühle empfunden hatte – und ich fühlte mich schrecklich und machtvoll gleichzeitig. Ich haßte es sie traurig zu machen, und ich liebte es. Im Juli handelten alle meine Träume von Maria davon, wie ich die Schichten wechsle, im CrashDown bis zur Sperrstunde warte, ihr abzuschlie­ßen helfe, mit ihr auf den Boden gleite, meine Haut sich an ihre drückt, während uns die heiße Luft umgibt. Ich erinnerte mich an die Laute, die sie von sich gab, als ich meinen Mund über ihre Haut laufen ließ, ich dachte daran, wie ihre Nägel über meinen Rücken streiften – leicht, als würde sie bloß die Haut testen wollen – und wie ihre Beine sich um meine umschlugen, und wie der Druck ihrer Hüfte auf meiner genügte, meinen ganzen Körper erstarren zu lassen. Ich saß jede Nacht zuhause, schwitzte und erinnerte mich.

Ich verbrachte eine Unmenge an Zeit unter der Dusche im Juli.

***

Der August zerstörte alles.

Im August änderten sich ihre Nachrichten wieder. Manchmal denke ich, daß ich Maria deshalb so sehr liebe, weil sie sich immer verändert. Sie hat so viele Gesichter und so viele Seiten, daß ich sie vielleicht nie alle kennenlernen werde, und ich will sie kennen. Ich will so sehr alles über sie wissen. Hank sagte mir, daß er mich deshalb haßt, weil er nie meine Gedanken verstehen konnte. Er kam in mein Zimmer, starrte mich und meine Bücher finster an, und sagte dann, daß ich eine Mißgeburt sei, und daß er nicht wüßte, warum er mich noch immer bei sich hält, und dann fragte er, „Was denkst du?“ und er wollte es wirklich wissen. Er wollte es wirklich, das wußten wir beide.

Ich antwortete immer mit „Nichts“ und ich sah dann seine Hand, die sich erhob, seine Finger in eine ordentliche Faust gefaltet (das war das Einzige, das Hank ordentlich machte) und manchmal, wenn es spät und er müde war, fragte er mich, woran ich denken würde, und manchmal habe ich es ihm auch erzählt. Und manchmal interessierte ihn meine Antwort. Vor zwei Wochen versuchte ich ihn anzurufen und zu sagen, daß ich endlich verstehen würde, was er damals wollte, daß ich endlich verstehen würde, warum er glaubte, alles über mich wissen zu müssen, aber der Vorarbeiter in der Fabrik hatte nichts von Hank gehört. Er hatte ihn nie gesehen.

Ich dachte an Nasedo, der jetzt fein gekleidet in Washington DC sitzt und uns “beschützt”, ich fragte mich, wieviel er weiß. Ich bin eigentlich froh, daß er nicht hier ist, obwohl ich vorsichtshalber Max und Is und Tess immer sage, daß ich wünschte, er würde hier sein, und daß ich hoffte, er würde eines Tages zurückkommen. Manchmal, wenn ich in der Wüste umherwandere, durchschießt mich ein Schaudern, und ich frage mich, ob Hank vielleicht irgendwo hier ist, unter meinen Füßen, und zu mir hochsieht.

Im August änderte sich wieder Maria’s Stimme. Sie weinte nicht mehr. Nach einer Weile klang sie nicht mal mehr traurig.

Ich wußte natürlich, daß Max viel Zeit mit ihr verbrachte. Er sagte mir, das wäre halt seine Art, er sagte, daß er um sie besorgt war, wirklich besorgt, und „Würde es dich umbringen, einfach mit ihr zu reden, Michael? Würde es dich umbringen, den Hörer aufzuheben?“

Ich ignorierte ihn, und er ließ das Thema fallen, wie immer. Max gibt zu leicht auf. Ich kann mich in dreißig Sekunden in seine Haut versetzen, ohne mich dabei anzustrengen. Er kann das auch, aber er will nicht in meiner Haut stecken. Als er mein Auge heilte, nachdem Hank blöderweise mit der Faust reingerutscht war (als Hank älter wurde, konnte er nicht mehr so gut zielen, und seine Hände wurden ungeschickter – sie zitterten wenn er nüchtern war, und ich bedauerte sie sogar – diese blassen, fleckigen, zornigen Hände), fing er an Fragen zu stellen, Fragen über mein Leben mit Hank, aber er hörte bald damit auf. Das ist mir auch recht. Ich denke, damals hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, und er hätte nichts verstanden. Er hätte gesagt, „Hank schlägt dich, er verletzt dich, und du solltest von ihm weg.“ Er hätte nie verstanden, daß es da mehr gab als Schläge.

Es gab das Zuhören jeden Morgen. Jeden Morgen kotzte er im Badezimmer und rasierte sich danach. Wenn er weg war, ging ich ins Badezimmer, wo ich seine ausgebrochenen Innereien riechen und seine Stoppeln im Waschbecken liegen sehen konnte. Das war ein Beweis dafür, daß er hier war. Es war ein Beweis dafür, daß jemand bei mir war. Max hätte nie verstanden, daß Hank manchmal gute Laune haben und lachen konnte, während ich Ravioli kochte. Manchmal brüllte er den Fernseher an und fragte, „Richtig, Mickey?“ und wenn ich „Richtig“ sagte, lachte er und klopfte mir auf die Schulter, und das waren keine Schläge. Und als ich sechs war und Jimmi Irgendwer mein Fahrrad stahl, ging Hank zu seinem Vater, verprügelte den Alten und brachte mein Rad zurück. Vielleicht ist das nicht viel, vielleicht macht es für Max oder jemand anderen keinen Sinn. Aber das ist meins.

Unter dem Strich war das Problem wie folgt: Max sah ausschließlich, daß Maria verletzt war.

Er erkannte nie, daß ich derjenige war, der sie verletzt hatte.

***

Maria fing also an, viel Zeit mit Max zu verbringen. Sie redeten und freundeten sich an, und durch Max fühlte sie sich besser. Zuerst ärgerte es mich nicht. Ich war froh für sie. Ich bin nicht so grausam, wie ich mich gerne sehe. Ich wollte, daß sie glücklich ist. Ich wollte, daß sie so ist wie sie war bevor ich sie berührt hatte, daß sie wieder dieses lächelnde Mädchen ist, das sich vor niemandem fürchtet, am allerwenigsten vor sich selbst.

Aber ihre Nachrichten änderten sich. Sie wurden kürzer. Beinahe oberflächlich. Als ob sie mich rufen würde, bloß um sich selbst daran zu erinnern, daß sie einmal unglücklich war, als ob sie anrufen würde, um sicher zu gehen, daß ich sie nicht vergessen hatte. „Michael – wie geht’s? Du weißt doch, ich beiße nicht. Oh, anderer Anruf. Muß gehen.“

Zuerst dachte ich, sie spielt mir etwas vor – um mich eifersüchtig oder so zu machen. Eifersucht war nie mein Problem, wenigstens glaubte ich das.

Aber sie war ehrlich. Sie hatte einen anderen Anruf, sie hatte ein Leben zu führen. Ich war nicht mehr ihr Mittelpunkt. Sie fand etwas besseres als herumzunörgeln. Gut für sie. Außerdem, Roswell braucht wirklich keinen zweiten Grübler, nicht wahr?

Auf jeden Fall rief sie mich immer noch an. Das hatte ich noch immer. Ich hatte noch immer ihre Stimme, sorgfältig in meinem Anrufbeantworter gespeichert. Ich hatte noch immer etwas. Etwas, womit ich umgehen konnte. Etwas, das mich zum Träumen verleitete, aber nicht gefährlich war.

Aber letzten Abend rief sie nicht an. Sie rief mich jeden Dienstag Abend um 9 und jeden Donnerstag Abend um 11 an. Letzten Abend änderte sich die Anzeige der Uhr (ein Geschenk von Isabel) in der Küche auf Freitag, und der kleine Fetzen von Maria’s Stimme gehörte mir nicht. Die Uhr tickte in den Freitag Morgen, sie rief noch immer nicht an, und ich schlief ein, neben dem Telefon sitzend mit einer Hand neben – nicht auf – dem Hörer.

Und jetzt bin ich hier im CrashDown. Sie unterhält sich mit Max. Ich möchte rübergehen und sie fragen, warum sie mich nicht angerufen hat. Ich habe die ganze Nacht auf das Telefonklingeln gewartet – die ganze Nacht gewartet, um ihre Stimme zu hören. Die ganze Nacht gewartet, um zu hören, daß sie mich noch nicht aufgegeben hat, obwohl ich mich selbst längst aufgegeben habe.

Max lacht über etwas, das sie gesagt hat, und ich sehe, wie sie zurücklächelt. Sie sieht glücklich aus. Sie sieht so aus, als habe sie ihr Herz bereits zusammengeflickt, als ob sie darüber hinweg sei. Sie hat mir immer gesagt, daß sie es wird. Ich sollte es wissen, sie hat mich nie belogen.

Ich gehe an ihnen vorbei, und sie sieht mich nicht an. Max tut es, er lächelt mir zögernd zu. Ich nicke ihm zu, und er sieht kurz zu Maria. „Ich muß mal mit...“ er schaut sich um, sieht Alex in einer der Nischen. „...Alex reden. Danke, Maria.“

„Kein Problem, Max. Wir sehen uns.“, antwortet sie ihm. Ich warte darauf, daß sie etwas zu mir sagt, aber sie tut es nicht. Sie beginnt einfach die Zuckerstreuer zu füllen, und ich erinnere mich an die Zeit, als sie mich noch nicht liebte und keine Angst zu reden hatte. Ich erinnere mich daran, wie sie gewöhnlich redete und ich vorgab, ihr nicht zuzuhören.

„Du hast mich nicht angerufen“, sage ich und fühle mich blöd und eifersüchtig und klein und so wertlos wie Hank es immer behauptete. Er hatte in vielen Dingen Recht. Ich erzählte es niemandem, weil es bloß eins der Dinge ist, die niemand hören will. Hank schnitt mir einmal die Haare, und die Haare fielen auf den Küchenboden, und er weinte um diese armen abgeschnittenen Haare (Er war natürlich betrunken. Häßlichste Frisur in meinem genzen Leben), seine Schultern waren knochig und klein unter meinen Armen, und sogar seine Tränen rochen nach Bier. Niemand will das hören. Was nicht bedeutet, das es nicht wahr ist. Es bedeutet nicht, daß es nicht geschehen ist. Es bedeutet nicht, daß ich mich nicht erinnere.

Ich sehe Maria an und ich weiß, daß meine Hände mit Tod und Angst bedeckt sind, sie würde sie niemals berühren wollen. Aber ich will sie trotzdem berühren. Ich will, daß sie mich berührt. Ich war nicht sehr überrascht, als Nasedo sagte, daß ich größtenteils menschlich sei. Ich war bloß traurig.

„Ich dachte, du bist vielleicht müde, meine Stimme zu hören“. Sie stellt den Zuckerstreuer ab und beginnt die Theke mit dem Tuch zu wischen. Ihr Haar ist jetzt länger und reicht bis zum Rücken. „Du hast nie aufgehoben, um wenigstens ’Hallo’ zu sagen“.

Ich brauchte rund zwölf Wochen, um gebrochen zu werden. Ist das gut? „Hallo“. Ich schaue mich verzweifelt um auf der Suche nach etwas, worauf ich mich konzentrieren kann, ich hasse sie dafür, daß sie mich wieder überrascht hat, indem sie nicht anrief, ich hasse mich selbst dafür, daß ich so bedrückt und klein und bedürftig bin. Und schwach. Nicht zu vergessen schwach. So schwach. Meine Stimme klingt hoch und kindisch, und ich warte auf das was kommen sollte, erschreckt und begierig zugleich.

Sie legt ihre Hände auf die Theke und dreht sich zu mir um. Ihr Lächeln wischt für einen Moment alles fort, und ich strecke die Hand, um sie anzufassen, meine Finger über ihren Mund laufen zu lassen, um ihn auf meiner Haut zu fühlen. Sie wendet sich im letzen Augenblick ab, und meine Hand faßt nur ins Leere, und ich schaudere vor Angst, ich bin zerrissen vor Bedauern. Ich fühle mich fast erleichtert. Hoffnung ist kein schönes Gefühl. Ich würde sie auf den zweiten Platz stellen, gleich hinter Liebe.

„Ich hatte heute morgen die schlimmsten Kunden“, sagt sie. „Sie hatten ungefähr eine Millionen verschiedene Extrawünsche, und sie wollten, daß ich den Kaffee frisch mache, und sie wollten Wechselgeld für einen Hunderter, ich konnte sie noch dazu über das Trinkgeld streiten hören, und dieser verrückte Kerl – du weiß schon, der immer zwei Eier und zwei Toasts und genau eineinhalb Speckscheiben will? Okay, er sagte mir, daß heute sein besonderer Mond-Tag sei, oder so ähnlich, und ich bin wie, egal – gut für dich, Bursche, aber du solltest trotzdem...“

Ich schließe meine Augen nur für eine Sekunde, so schwindelig vom Glück und von ihrer Stimme, daß ich fürchte, etwas blödes zu tun.

Und dann küsse ich sie plötzlich.

Hank sagte mir einmal, in einem seiner seltenen nachdenklichen Momente, daß er mich bei sich behalte, weil ich ihn verstehen würde. „Du weißt doch, daß ich dich liebe,“ sagte er und klopfte unbeholfen auf meinen Rücken, und seine Finger glitten über Haut und Schweiß und vielleicht ein paar Tränen.

Ich wußte. Ich hörte ihn. Ich verstand ihn. Immer.

Ich verspreche, ich werde Maria morgen gehen lassen. Ich schwöre es. Ich will nur ein letztes Mal ihre Stimme hören. Das ist alles.



ENDE

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